Tätigkeits-Trance

Foto: Pixabay

Heute bin ich in einem Hörbuch von Patrick Lynen („Sei kein Systemling“) auf eine interessante Bezeichnung gestoßen: Tätigkeits-Trance.

Lief mir voll rein. Auch ich habe den Eindruck, dass es in unserem Alltag eines beinahe gar nicht mehr gibt: Stille.
Ist ja auch sehr beliebt, viel zu tun zu haben und im Stress zu sein.
Irgendwie ehrenhafter, die Welt zu retten, als mal früher Feierabend zu machen.
Betriebsamkeit ist populär.

Jeden Moment füllen – mit Eindrücken, Tätigkeiten, Bewegung. Durch Input von außen oder durch unsere eigene Betriebsamkeit.
Bloß keine Minute ungenutzt lassen!
Im Wartezimmer beim Arzt läuft der Fernseher – und verkauft die neuesten IGeL Leistungen. Kleinere Leerläufe – z.B. beim Warten auf den Bus oder in der Schlange beim Bäcker – werden gefüllt, um nochmal aufs Handy zu schauen. Im Zug ein Buch lesen, einen Podcast hören, E-Mails abarbeiten oder in der überfüllten U-Bahn noch schnell  dieses wichtige Telefonat führen (gestern live erlebt) … Zuhause dudeln nebenher Radio oder Fernseher und im Arbeitsalltag helfen Kollegen und Chefs, dass jeder Moment gefüllt wird.
Weil wir sie lassen.
Den Hunger nebenbei und auf dem Sprung ins nächste Meeting noch schnell mit der mitgebrachten Stulle betäubt.

Nacheinander arbeiten wir ab sie ab, die Pflichten, Aufgaben, Tätigkeiten.
Wie in Trance.
Wie ferngesteuert.

Und wenn sich dann mal ein ungefüllter Moment andeutet, fühlt es sich schon beinahe komisch an. Es scheint fast, als betäuben wir uns mit dieser Tätigkeits-Trance, weil uns die Stille ungewohnt geworden ist.
Im schlimmsten Fall ist unser System dann so überdreht, dass es nicht mehr in der Lage ist, alleine runter zu fahren. Dann kommt nach Feierabend nicht selten Alkohol ins Spiel.
Direkter Übergang von der mentalen Betäubung in die körperliche.
Nicht falsch verstehen – ein leckerer Wein in gemütlicher Atmosphäre – wie schön! Nur wenn du dich dabei beobachtest, wie Du regelmäßig dazu greifst, damit die Atmosphäre gemütlich wird, solltest Du Dir Gedanken machen.

Wie konditioniert fragt sich unser Geist kontinuierlich – und was jetzt?

Nix.
Einfach mal nix.

„..und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“
Astrid Lindgren

Wann hast Du das letzten Mal einfach nur dagesessen?
Kannst Du Dich noch an das Gefühl der Langeweile erinnern?

Lasse doch mal Stille zu und schaue, was sich zeigen möchte.
Keine Musik im Hintergrund, kein Smartphone, Tablet, e-Reader oder Buch in der Hand.
Einfach mal nur sein.
Pause machen. Nachspüren. Reinhören. Wirken lassen.
Inputfreie Zeit.
Um wieder in Kontakt zu Dir und deinen Bedürfnissen zu kommen.

Wenn Du Deine innere Stimme hören willst, gib ihr die Chance, zu Wort zu kommen.
Ist vielleicht nicht immer angenehm, was sie zu sagen hat, aber sollte immer gehört werden. (Sonst beschwert sie sich über Umwege bei Deinen Rückenmuskeln, Deinem Magen, Deinem Kopf oder anderen Teilen Deines Körpers, die Dir Probleme machen, wenn Du Deine Bedürfnisse übergehst ;-))

Also …

Mach mal Pause.
Sitz mal rum.
Hör mal rein.

Sei gut zu Dir!

Deine Birgit

Schreibe einen Kommentar