Slow Motion im Alltag

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„Das letzte Jahr ist irgendwie schneller vorbei gegangen“.
„Vielleicht liegt es am Alter, dass einem alles immer schneller vorkommt?“
So oder so ähnlich hört es sich an, wenn ich mich mit Freunden und Bekannten über Zeit unterhalte und wie schnell sie vergeht.
Neulich habe ich ein interessantes Interview mit Prof. Dr. Hartmut Rosa, einem der renommiertesten deutschen Zeitforscher gelesen. Darin sagt er treffend: „Wir sind … reicher an Erlebnissen, aber dennoch ärmer an Erfahrungen. Denn Erlebnisse werden nicht mehr in Erfahrungen transformiert.“
Wir haben so viele Wahlmöglichkeiten, dass wir häufig von einem Ereignis und Erlebnis ins nächste stürmen – ohne uns Zeit genommen zu haben, das letzte zu verarbeiten, bewusst abzuspeichern. Es ist, als wenn wir immer nur an der Oberfläche kratzen, aber nicht mehr in die Tiefe gehen. Alles scheint schneller und weniger intensiv. Und so sagt Prof. Rosa weiter: „Wer sich reich an Zeit fühlen möchte, sollte hin und wieder einen Tag verschwenden, nichts planen, nichts Produktives Tun.“
Ich empfehle dies in Kombination mit der „Slow Motion Technik“.

Stell Dir einen Tag lang Deine Wahrnehmung einmal wie eine Kamera in einem Hollywood Film vor. Zoome im Alltag Dinge, Personen, Szenenausschnitte immer mal wieder heran. Nimm die Details ganz genau wahr. Blende vielleicht sogar gleichzeitig eine Wahrnehmungsebene etwas aus oder rücke sie in den Hintergrund (z.B. Töne / Geräusche). Spiele mit Deinem Fokus. Vielleicht kommt Dir dann die ein oder andere Szene sogar wie Slow Motion vor, weil Du plötzlich viel bewusster und intensiver wahrnimmst.

So schulst Du Deine Sinneswahrnehmung und bereicherst Deine Eindrücke. Vielleicht bringt Dich das ein oder andere Detail sogar zum Staunen. Auf jeden Fall erlebst Du tiefer und bewusster.

Außerdem hilft Dir diese Übung, auch dann den Fokus auf etwas zu behalten, wenn Du es brauchst (z.B. wenn Du bei einer Zugfahrt an etwas arbeitest oder liest und die Person neben Dir intensiv telefoniert – passiert mir regelmäßig :-))

Im Urlaub gelingt uns das oft einfacher – wenn wir irgendwo das erst Mal sind und scheinbar alles viel intensiver wahrnehmen oder wenn wir mit einem guten Buch am Strand liegen und die Welt um uns herum vergessen.

Versuche, diesen Zauber auch in Alltagsmomenten wieder einzufangen:

  • Nimm z.B. Umgebungsgeräusche oder Stimmengewirr wie Hintergrundmusik wahr und konzentriere Dich auf etwas in Deiner Nähe.
  • Kaue beim Essen einmal etwas länger. Konzentriere Dich bewusst auf den Geschmack.
  • Betrachte eine Minute lang Deine Hände oder Finger.
  • Betrachte beim Warten in einer Schlange die Verhaltensweise des Menschen vor Dir.
  • Mach alltägliche Handlungen einmal bewusster – wie z.B. das Türen öffnen.

Plane darüber hinaus auch, Erlebnisse in Erfahrungen zu verwandeln – d.h. halte von Zeit zu Zeit einmal inne und blicke zurück. Was hast Du geleistet? Was hast Du erreicht? Was hast Du erlebt – was hat Dein Leben bereichert? Was möchtest Du als schöne Erinnerung speichern, die Dir in schwereren Zeiten Kraft spendet?

Setze Deinen Alltag in Szene, bereichere Deine Sinne – und vergiß‘ nicht, Dir und anderen ab und zu den Oscar zu verleihen ;-))

Frohes Filmen,

Deine Birgit

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