Heute möchte ich eine Geschichte aus einem meiner Lieblingsbücher erzählen, das ich vor einigen Monaten von einer guten Freundin geschenkt bekommen habe. Das Buch heißt „Who ordered this truckload of dung“ und besteht aus 108 Kurzgeschichten, die der buddhistische Mönch Ajahn Brahm erzählt. Die Geschichten spiegeln die Schwierigkeiten des Lebens wider und regen zum Nachdenken an, wie man sie bewältigen kann. Einige von ihnen handeln von Angst und Schmerz.
Und eine davon geht so:
Angst ist die Suche nach Fehlern in der Zukunft. Wenn wir nur berücksichtigen würden, wie ungewiss unsere Zukunft ist, dann würden wir nie versuchen, vorherzusagen, was schief gehen könnte. Die Angst endet genau hier.
Als ich klein war, hatte ich schreckliche Angst vor dem Zahnarzt. Ich hatte einen Termin und wollte nicht hingehen. Ich habe all möglichen Sorgen gemacht. Als ich beim Zahnarzt ankam, sagte man mir, mein Termin sei abgesagt worden. Ich lernte, was für eine Verschwendung von kostbarer Zeit Angst ist.
Die Angst löst sich in der Ungewissheit der Zukunft auf. Aber wenn wir unsere Weisheit nicht nutzen, kann die Angst uns auflösen. In einer alten Fernsehserie namens Kung Fu hätte sie den jungen buddhistischen Mönch, Little Grasshopper, fast aufgelöst. Ich habe diese Serie in meinem letzten Jahr als Lehrer, bevor ich Mönch wurde, immer wieder gesehen.
In einer Folge führte der blinde Meister von Little Grasshopper den Novizen in ein Hinterzimmer des Tempels, das normalerweise verschlossen war. In diesem Raum befand sich ein etwa sechs Meter breites Schwimmbecken mit einer schmalen Holzplanke als Brücke von einer Seite zur anderen. Der Meister warnte Little Grasshopper, sich vom Rand des Beckens fernzuhalten, denn es enthielt kein Wasser, sondern eine sehr starke Säure.
„In sieben Tagen“, wurde Little Grasshopper gesagt, „wirst du geprüft werden. Du wirst über das Säurebecken gehen müssen, indem du auf dem Holzbrett balancierst, aber sei vorsichtig! Siehst du auf dem Grund des Säurebeckens die Knochen hier und dort?“
„Sie gehörten einst jungen Novizen wie dir.“
Der Meister führte Grasshopper aus dem schrecklichen Raum hinaus in das Sonnenlicht des Tempelhofs. Dort hatten die älteren Mönche ein Brett aufgestellt, das genau so groß war wie das über dem Säurebecken, das aber auf zwei Ziegeln stand. In den nächsten sieben Tagen hatte Grasshopper keine andere Aufgabe, als das Gehen auf diesem Brett zu üben.
Es war ganz einfach. Nach ein paar Tagen konnte er mit perfektem Gleichgewicht, sogar mit verbundenen Augen, über das Brett im Hof laufen. Dann kam die Prüfung.
Grasshopper wurde von seinem Meister in den Raum mit dem Säurebecken geführt. Die Knochen der gefallenen Novizen schimmerten am Boden. Grasshopper stieg auf das Ende des Brettes und drehte sich zu seinem Meister um. „Geh“, wurde ihm gesagt.
Eine Planke über Säure ist viel schmaler als eine gleich große Planke im Tempelhof.
Grasshopper begann zu gehen, aber sein Schritt war unsicher; er begann zu schwanken. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft. Er schwankte noch mehr. Es sah so aus, als würde er in die Säure fallen! Die Serie wurde für eine Werbepause unterbrochen.
Ich musste diese blöden Werbespots ertragen, während ich mir die ganze Zeit Sorgen machte, wie der arme Little Grasshopper seine Knochen retten würde.
Die Werbung endete, und wir waren wieder im Säure-Pool-Raum, wo Grasshopper begann, sein Selbstvertrauen zu verlieren. Ich sah, wie er einen unsicheren Schritt machte … dann schwankte er … dann fiel er hinein … oh nein!
Der alte blinde Meister lachte, als er hörte, wie der Little Grasshopper im Becken herumspritzte. Es war keine Säure, es war nur Wasser. Die alten Knochen waren als „Spezialeffekt“ hineingeworfen worden. Sie hatten Little Grasshopper genauso getäuscht wie mich.
„Warum bist du hineingefallen?“, fragte der Meister ernst. „Du bist aus Angst hineingefallen, Little Grasshopper , nur aus Angst.“