Reise mit leichtem Gepäck

geschrieben von Birgit Baldauf

Es war einmal ein kleines Mädchen, das wollte die große weite Welt entdecken. Doch bevor es sich auf die Reise machte, wollte es alles gut planen. Es wollte ja alle Länder, Kulturen und Klimagebiete kennen lernen und musste sich folglich gut vorbereiten.

Also begann das kleine Mädchen, seinen Rucksack zu packen:

  • 120 Reiseführer, die es auf die besonderen Gegebenheiten in jedem Land hinweisen sollten.
  • 15 Wörterbücher – um überall die richtigen Worte zu finden.
  • Etliche Schuhe – um immer festen Tritt zu haben.
  • Dicke Hosen, dünne Hosen, viele Blusen, schöne Röckchen – es wollte ja auch für jede Gelegenheit passend gekleidet sein.
  • Schließlich packte das kleine Mädchen noch Proviant ein, um unterwegs immer etwas zur Hand zu haben, wenn der Hunger kommen würde.

Stolz saß das kleine Mädchen vor seinem Rucksack und freute sich darauf, endlich auf die Reise gehen zu können. Es nahm die Reiseroute zur Hand, bückte sich und wollte den Rucksack schultern. Doch als es ihn auf dem Rücken hatte, merkte es, dass er viel zu schwer war. Das kleine Mädchen kam gerade einmal bis kurz vor die Tür damit. Erschöpft lies es sich dort nieder und überlegte.

Was tun?
Es wollte diese Reise doch so sehr!
Was aus dem Rucksack auspacken und zurücklassen?
Das Essen? – Nein, das ging nicht!
Die Schuhe? – Keinesfalls!!
Die Lektüre? – Undenkbar! …

Und wie es da so saß und überlegte, kam ein Vogel mit buntem Gefieder geflogen und setze sich auf den Rucksack. Neugierig neigte der Vogel seinen Kopf und beäugte das Mädchen. Schließlich fragte er, was es denn so bedrücken würde. Das kleine Mädchen begann, ihm von der geplanten Reise zu erzählen, von der Last des Rucksacks und den Überlegungen, was zu tun ist, um die Last zu erleichtern.

Da zwitscherte der Vogel vergnügt und sagte: „Was Du tun kannst? Das ist ganz einfach! Flieg einfach los. Und wenn Du durstig wirst, dann lass Dich an einem frischen Bach nieder und trinke. Und wenn Du hungrig wirst, dann lasse Dich auf einem Apfelbaum nieder und pflücke Dir einen leckeren Apfel. Und wenn Du an einen fremden Ort kommst, dann setze Dich auf einen Hügel, beobachte und lerne – dann wirst Du verstehen. Und wenn Du an einen Ort kommst, an dem Dein schönes Gefieder nicht passend scheint, dann breite die Flügel aus, erhebe Dich in die Lüfte und flieg einfach weiter.
Du wirst sehen, Du brauchst nur Dich und Deine Flügel – und alles andere findet sich entlang des Weges.“

Da lächelte das Mädchen, bedankte sich bei dem Vogel, stellte den Rucksack zurück ins Haus und machte sich auf die Reise.

Und weil es sich so leicht und frei fühlte, sah es doppelt so viele Länder wie ursprünglich geplant.

© Birgit Baldauf

Foto: Pixabay

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