Innere Veränderung – Tod dem Verbot

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Und weiter geht es in der Reihe „Innere Veränderung“ und was uns bei dieser manchmal in Weg steht. Letzte Woche habe ich vom Elefanten gesprochen, unserem Unterbewustsein, das wir bei jeglicher Art von Veränderungen mit an den Tisch holen müssen, damit sich etwas bewegt, damit sich unser Elefant bewegt.
Was ihn definitiv in Bewegung bringt – allerdings genau in die falsche Richtung 😉 – sind Verbote.

Ich erinnere mich noch bis heute an eine spezielle Situation in meiner Kindheit. Im Wohnzimmer meines Elternhauses stand ein Schrank in dem das Süßigkeitenfach war. Eine Zeit lang immer offen, immer zugänglich. Bis meine Mutter entdeckte, dass die Vorräte darin auf wundersame Weise relativ schnell aufgebraucht waren. 😉 Um dem ganzen ein wenig Einhalt zu gebieten, war der Schrank von dem Moment an abgeschlossen und der Schlüssel versteckt. Und ab da gab es für mich nur ein Ziel: Finde den Schlüssel (und lass es Dir nicht anmerken ;-)). Es war erstaunlich, wieviel Energie und Zeit ich dafür aufgebracht habe, wieder an die verbotenen Leckereien zu kommen!
Sie waren jetzt noch attraktiver!

„Das Verbotene hat einen Reiz, der es unsagbar begehrenswert macht.“ Mark Twain

Die Psychologie nennt das den „Forbidden Fruit Effect“. „Verbotene Früchte“ bekommen einen besonderen Reiz, weil sie unsere Verlangen triggern, das Unbekannte kennenzulernen und die Grenzen auszutesten. Außerdem mögen wir Verbote nicht, weil wir uns in unserer Freiheit eingeschränkt fühlen.

Der Effekt ist schon so alt, dass man ihn bereits in der Bibel findet (vielleicht erinnerst Du Dich an die Geschichte mit dem Apfel?).
Er ist aber noch immer hochaktuell. Ein Studie unter Jugendlichen hat z.B. herausgefunden, dass die Aufdrucke der FSK Angaben zu Videospielen eher den gegenteiligen Effekt hatten: die Jugendlichen fanden besonders die Spiele interessant, die für Ihre Altersklasse nicht freigegeben wurden.
Auch im Marketing wird dieser Effekt gerne genutzt: dort kommt er im Scarcity Principle (Knappheitsprinzip) zum Tragen. Je weniger es von etwas im Angebot gibt oder je exklusiver und schwerer zur Zugang zu etwas gemacht wird („nur heute“ / „nur für die ersten 10“ / „5 exklusive Karten“…) umso wertvoller erscheint es für den Konsumenten/Empfänger.
Und um bei Mark Twain zu bleiben: vielleicht kennst Du die Zaun-Szene von Tom Sawyer und Huckleberry Finn? Eigentlich ist Tom dazu verdonnert, einen Zaun zu streichen und kann deshalb nicht mit Freunden schwimmen gehen. Einer der Freunde, Ben, kommt vorbei und aus anfänglichem Mitleid mit Tom erwächst ihn ihm der Drang, selbst diesen Zaun zu streichen. Wie? Indem Tom ihm weismacht, dass das nicht jeder kann:  „der (Zaun) muß ganz besonders vorsichtig gestrichen werden, – einer von hundert Jungen vielleicht, oder noch weniger, kann’s so machen, wie’s gemacht werden muß.“ Am Ende streicht Ben und Tom kann sich zurücklehnen.

Bei persönlicher Veränderung kommt der Forbidden Fruit Effect speziell dann zum Tragen, wenn wir uns vornehmen, etwas nicht mehr zu machen/konsumieren oder es zumindest reduzieren wollen. Also z.B. Vorhaben wie weniger Alkohol zu trinken, keinen Zucker zu konsumieren oder auf Fast Food zu verzichten.

Versuchen wir, das mit einem Verbot zu erreichen, wird unser Fokus auf genau dem Falschen liegen – nämlich darauf, wie wir es doch bekommen können. Und die Wahrscheinlichkeit, dass wir dann maßlos übertreiben, wenn wir Zugang zum Verbotenen bekommen, ist sehr groß. So mancher „Cheat Day“ ist da schon in Binge Eating ausgeartet. Danach haben wir dann ein schlechtes Gewissen, ärgern uns über uns selbst und gehen dann nicht selten mit so einer Härte zurück an unser ursprüngliches Vorhaben, dass unser Elefant uns ganz sicher den mentalen Mittelfinger zeigen wird.

Was also tun, wenn wir etwas aufgeben oder reduzieren wollen? Folgende Fragen können Dir helfen, eine Strategie zu entwickeln:

  1. Was ist das Gute am Schlechten? Wenn wir etwas aufgeben, geben wir nie nur die Sache an sich auf, sondern auch die damit verbundenen Gefühle. Was war bisher der Vorteil von dem, was Du aufgeben möchtest? Wann und in welchen Situationen? Wenn ich mich z.B. am PC über längere Zeit stark konzentrieren muss, bekomme ich einen Heißhunger auf was zu Knabbern. Salzig, Süß… Dabei geht es um Ableiten der Anspannung durch Kauen und Zufuhr von Energie für’s Hirn.
  2. Kann das Gute anders generiert werden? Gibt es etwas Anderes, Besseres, Gesünderes…, das Dir den selben Effekt bringen könnte? In meinem Fall habe ich immer ein paar Nüsse griffbereit, bei hoher Anspannung greife ich dann aus Kaloriengründen lieber zur Karotte oder zum Kaugummi 😉
  3. Darf das Verbotene einen Platz bekommen? Hier komme ich nochmal auf den Cheat Day zurück. Gerne genommen, wenn man z.B. auf Fast Food verzichten möchte. Dann gilt z.B. die Regel: 1x die Woche darf ich! Hm. Der Zauber von nachhaltiger Veränderung liegt meines Erachtens in der Balance. Gibt es vielleicht noch eine andere Möglichkeit, das „Verbotene“ nicht zu Verbannen – und vor allem nicht als Belohnung für das Durchhalten beim Essen gesünderer Lebensmittel einzusetzen? (Würde ja bedeuten, dass Du den ganzen Rest der Woche „leidest“ – nicht sonderlich attraktiv für Deinen Elefanten, da mitzumachen!) Als ich 2013 aufgehört habe, Fleisch zu essen, habe ich mir ein „Hintertürchen“ aufgelassen. Ich habe mir versprochen, dass ich – falls ich tatsächlich einen unstillbaren Hunger auf Fleisch bekomme – ich mir wenn schon, dann in kleinen Mengen und hochwertiges vom Bio Bauernhof hole. Ich musste aber gar nicht darauf zurückgreifen. Die einzige Lust, die ich verspürt habe war auf einen Rohschinken zum Abendbrot. Ca. eine Woche lang. Dann war Ruhe. Was habe ich in dem Moment gemacht? Ich habe mich erinnert …
  4. Was ist das Gute am Guten? Nämlich daran, warum ich kein Fleisch mehr essen wollte. Und dann habe ich mich gefragt, ob mir das Verlangen nach ’ner Scheibe Schinken tatsächlich wichtiger ist als die Gründe, weswegen ich Vegetarierin geworden bin. Zack. Ende des Verlangens. Hast Du wirklich gute Gründe für die angestrebte Veränderung? Welche, die DIR wichtig sind? Die so stark sind, dass sie Versuchungen und Kommentaren von außen Stand halten können? Wenn es uns gelingt, unser kurzfristiges Bedürfnis für ein langfristiges Ziel aufzugeben, trainiert das übrigens einen mentalen Muskel, der auf lange Sicht erfolgreicher und zufriedener macht. Es ist der Muskel unserer Frustrationstoleranz. Hierzu gibt es interessante – und witzige – Studien mit Kindern. Falls Dich das näher interessiert, schau mal hier.

Kurz gesagt: Verbote sind Anreiz für unseren Elefanten, zum trotzigen Rebellen zu werden und erst recht noch mehr von dem zu wollen, was wir eigentlich vermeiden wollten.

Also: Tod dem Verbot!

Eine erfolgreiche Woche Dir,

Deine Birgit