Form vor Inhalt?

Foto: Pixabay

Neulich erzählte mir ein Freund, dass er gerade dabei ist, seinen Lebenslauf ins System seines Arbeitgebers einzugeben. Diesem lag sein Lebenslauf schon vor – aber eben nicht in einer Form, die „ins System passt“.  Also musste er nochmals Zeit investieren, um die Daten entsprechend zu übertragen.

Nach unserem Gespräch gingen mir folgende Fragen durch den Kopf:

Leben wir in einer Gesellschaft und Zeit, in der wir Gefahr laufen, dass Form vor Inhalt zählt?
Wäre es nicht viel wichtiger, unsere Zeit und Aufmerksamkeit den substantiellen, inhaltlichen Aspekten zu widmen als den formellen?
Mehr noch: halten wir uns so an formellen Dingen auf, dass wir die wirklich wichtigen übersehen oder vernachlässigen?
Verwehren wir uns und anderen so nicht jede Menge Entdeckungen, Offenheit und Lernchancen?

Das betrifft die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Seien es Anschaffungen, Bekanntschaften oder die Berufswahl.

Mit Blick auf meine Realität fielen mir spontan einige Beispiele ein, bei denen ich mir durch vorgefertigte Raster beinahe wundervolle Möglichkeiten verwehrt hätte.
Die Suche nach meiner Wohnung, nach neuen Bekanntschaften, nach Mobilität…

Meine Wohnung zum Beispiel. Ich bin total glücklich, sie gefunden und den Zuschlag bekommen zu haben. Aber offen gestanden hätte ich sie mir beinahe nicht angeschaut. Nur weil ich noch so schön im Besichtigungs-Schwung war dachte ich, „Ach komm, dann nimmste die auch noch mit. Anschauen kannst se ja mal“. Aber eigentlich gab es da so viele Punkte, aufgrund derer sie durch mein Raster gefallen wäre:
Ein bisschen über Budget, Einliegerwohnung, d.h. Vermieter wohnen im Haus, es gibt keinen Kellerraum, sie liegt mitten im Ort (bestimmt total laut!!), es gibt eine Terrasse – aber Nordlage …

Das Beiseitelegen meines Filters hat mich dann folgendes entdecken lassen:

Vermieter im Haus? Zum Glück! Ich kenne jetzt zwei wundervolle Menschen mehr, die ich auch noch meine Vermieter nennen darf!
Mitten im Ort? Die Möglichkeit, alles fußläufig erreichen zu können, ob Bäcker, Supermarkt oder Yoga Studio ist ebenso phänomenal wie die Ruhe – es ist die ruhigste Wohnlage, in der ich bisher gewohnt habe. Das Haus ist in zweiter Reihe, mein Schlafzimmer nach hinten raus.
Etwas über Budget? Jeden Euro wert! Komplett renoviert mit tollen Extras einer spitzen Küche, einer riesigen Terrasse, auf der man auch an heißen Sommertagen noch draußen sitzen kann (weil Norden :-)) und ein mega cooler Einbauschrank im Eingangsbereich, der den nicht vorhandenen Kellerraum mehr als kompensiert (und wie cool ist es denn, alles in der Wohnung zu haben und nicht immer in den Keller zu müssen!?).

Ich bin dankbar für diese Entdeckung und froh, dass es mir gelungen ist, meine Vorstellungen von Form beiseite zu legen.
Für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, mir meiner Filter auch in anderen Lebensbereichen und Situationen bewusster zu werden und sie öfter zu hinterfragen oder eben mal mutig beiseite zu legen.

Wo wählst Du noch – bewußt oder unbewußt – Form vor Inhalt?
Wo geht es Dir „ums Prinzip“?
Wo verwehrst Du Dir vielleicht unerwartet zauberhafte, neue Erfahrungen weil Situationen, Dinge oder Personen auf den ersten Blick durch Deine Raster fallen?

Kill the Filter! – es gibt soviel zu entdecken.
Lass die Neugier siegen und stürze Dich ins Abenteuer!

Deine Birgit

Schreibe einen Kommentar