Na, keinen Plan?

„Everybody has a plan until they get punched in the mouth.“
„Jeder hat einen Plan, bis er eins auf die Fresse bekommt.“
(Mike Tyson)

Die klaren Worte von Mike Tyson leiteten diese Woche einen wunderbaren Blog-Artikel von Förster & Kreuz ein. Er beschreibt, warum das mit dem klassischen Pläne schmieden in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert und was wir anstelle dessen tun können, um voran zu kommen und nicht in eine Art Schockstarre zu verfallen (hier geht’s zum Artikel).

Mich hat das Zitat zu einem anderen Gedanken inspiriert:
Ich glaube, wir stecken unsere Energie viel zu oft in die falschen Maßnahmen – das ausführliche Pläne Schmieden und alles tausendmal durchdenken und planen gehört meines Erachtens dazu. Versteht mich nicht falsch, ich meine nicht, dass wir uns gar keine Gedanken machen sollten. Aber wenn doch die Unvorhersehbarkeit der Dinge immer größer wird, die zu einer Situation beitragenden Aspekte immer zahlreicher, komplexer und unübersichtlicher und die Halbwertszeit von Erkenntnissen immer kürzer, sprich, wenn das Leben sich nach chaotischen Prinzipien stets wandelt, wie soll dann so etwas wie ein statischer Plan funktionieren?

Trotzdem haben wir das Gefühl, wir brauchen einen Plan – aber nicht für die Situation, sondern mehr so für uns. Dieses Durchdenken und in Betracht ziehen gibt uns ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit – in einem eigentlich unkontrollierbaren Umfeld. Vielleicht gehörst Du ja auch zu den Menschen, die Ihre planerischen Aktionen immer dann intensivieren, wenn sie meinen, dass ihnen eine Situation entgleitet oder sich aufgrund noch die dagewesener Umstände das Gefühl von Hilflosigkeit einschleicht?

Was aber kann uns dann in diesem Chaos ein ein Gefühl von Sicherheit geben?
Was sollten wir tun, anstatt zu vermessen, abzuwägen, einzuschätzen, zu beurteilen?

Statt uns damit zu beschäftigten, alle möglichen Wellen zu vermessen, denen wir eventuell ausgesetzt sein könnten, lasst uns lieber die Kompetenz trainieren, diese Wellen zu reiten.

Ich bin zwar kein Surfer, aber das Bild kommt mir sofort in den Sinn, wenn ich mir die oben beschriebenen Umstände vor Augen führe. Was nützt es dem Surfer, wenn er alles über Wellen weiß, ihren Ursprung, ihren Verlauf, ihr Vorkommen, Dauer, Größe, Volumen, Geschwindigkeit – wenn er auf seinem Brett steht und sich eine Welle aufbaut, die so bisher noch nie dagewesen ist und ihm schlicht und ergreifend die Lockerheit in den Knien und die Übung, sie zu stehen, fehlt?

Also, lasst uns unsere Energie doch lieber in den Aufbau unserer Fähigkeiten stecken, mit was auch immer auf uns zukommt souverän, lösungsorientiert und leicht (nicht leichtfertig!) umzugehen.

Nie dagewesene Wellen gab es in der letzten Zeit ausreichend – und wahrscheinlich wird die See unserer Realität auch in Zukunft ganz schön rau bleiben.

Was brauchen wir, um das zu stehen?

  1. Selbstverantwortung
  2. Offenheit für Veränderungen
  3. Pioniergeist und Neugier
  4. Fokus – im Hier und Jetzt!
  5. Kollaborationsbereitschaft
  6. Lern- und Entwicklungsbereitschaft
  7. Positive Haltung gegenüber Fehlern

Wo begegnen Dir im Alltag Situationen, in denen Du das üben kannst?

  1. Immer, wenn Du Dich bei Gedanken oder Worten wie „wenn, dann …“, „der/die sollte …“, „ich kann nichts dafür, das ist …“ erwischst, ist es Zeit, Dir ein innerliches Stopp zu setzen und Dich zu fragen: „was war/ist DEIN Beitrag an der Situation? Was kannst DU tun, um sie anzunehmen/zu ändern/zu bewältigen/zu verlassen? (Unabhängig vom Verhalten oder der Meinung anderer Personen).
  2. Wann hat sich in Deinem Leben zum letzten Mal etwas verändert? Ohne Dein Zutun? Vielleicht sogar gegen Deinen Willen? Auf eine Art, die Dir nicht gefiel? Wie hast Du darauf reagiert? Wie viel Kraft hast Du in die Gegenwehr nicht veränderbarer Umstände gesetzt? Wenn die Welle zu groß, zu schnell, zu wild ist, hilft es nix, darüber zu schimpfen. Veränderungen anzunehmen lässt sich besonders gut trainieren, wenn Du in Deinem Alltag absichtlich immer mal wieder aus Deiner Komfortzone gehst – kontrolliert sozusagen. Menschen ansprechen, wenn Du schüchtern bist, etwas anziehen, dass Du sonst nie tragen würdest, ohne Zimmerreservervierung in den Urlaub fahren etc.
  3. Auf der geplanten Route ist Stau? Die für das Abendessen geplanten Zutaten sind im Supermarkt nicht mehr erhältlich? Der Besuch kommt eine halbe Stunde zu früh? Wie geht es Dir damit? Versuchst doch mal mit „wow, vielleicht entdecke ich neue Wege, wie ich den Stau umfahren kann – dort wo kein anderer ist“. – „Was wohl passiert, wenn die Zutat x mit Zutat y ersetze? Das wird dann mein Geheimrezept!“ oder „Hej, schön dass Ihr da seid! Wollt Ihr mir bei den Vorbereitungen helfen?“
  4. Erwischt Du Dich bei dem Gedanken: „Hätte ich mal …“ – lass stecken. Der bringt nix, um die Situation, in der Du jetzt steckst, zu lösen. Schlimmer noch er zieht wichtige Energien aus dem Hier und Jetzt ab und steckt sie in die Vergangenheit – die Du eh nicht mehr ändern kannst. Stecke alle Deine Aufmerksamkeit in die einzige „Zeit“, in der Du was ändern kannst – die Gegenwart. Was genau nimmst Du JETZT wahr? Was kannst Du JETZT tun?
  5. Wann hast Du das letzte Mal jemanden um Hilfe gebeten? Oder um eine Einschätzung? Dir Ideen geholt und Anregungen? Was hindert Dich ggf. daran? Vielleicht die Tatsache, dass Du die Situation, die Du meistern musst, ganz anders einschätzt als andere? Das ist gut so! Je mehr Perspektiven, desto mehr Lösungsmöglichkeiten! Keine ist falsch oder richtig – und viele sind einen Versuch wert! Denn wer tut, was er immer getan hat wird bekommen, was er immer bekam.
  6. Frage Dich jeden Abend, was Du über den Tag hinweg gelernt hast. Dabei ist Lernen im weiteren Sinne zu verstehen. Es kann auch daher kommen als Erkenntnis – über Dich, andere, das Leben, einen Sachverhalt … oder Entdeckung – von etwas Neuem – in Deinem Umfeld, Alltag, an Dir… Vielleicht hast Du aber auch etwas Interessantes erfahren? Egal – wichtig ist, dass Du nie davon ausgehst, jetzt „fertig ausgelernt“ zu sein. Denn was Du heute gelernt hast, ist übermorgen schon überholt.
  7. Wie gehst Du mit Dir selber um, wenn Du einen Fehler machst, etwas vergisst oder etwas schief läuft? Und wie stehst Du zu der Fehlbarkeit Deiner Mitmenschen? Ohne Fehler kein Lernen. Fehler vermeiden zu wollen heißt, sich selbst zu lähmen und nicht mehr weiter zu entwickeln. Wo traust Du Dich nicht, den nächsten Schritt zu wagen aus Angst, etwas falsch zu machen oder zu scheitern?

Klingt jetzt alles vielleicht nach ganz schön viel.

Ich würde sagen, rauf auf’s Board und rein in die Wellen. Und dann – eine nach der anderen, locker in den Knien und – enjoy the ride!

Deine Birgit

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