Die Obergrenze des Glücks

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„Lass mir mein Problem!“
„Ich glaube, sie kann oder will gar nicht glücklich sein…“
„Und was würdest Du machen, wenn plötzlich einer vor Dir steht, der authentisch liebevoll und wertschätzend zu Dir ist? Der Dich gut findet, und das auch äußert?“

Alles Sätze, die mir in den letzten Wochen begegnet sind und mich an das Phänomen der „oberen Grenze des Glücks“ erinnert haben.
Manchmal kommen wir an bestimmten Punkten in unserem Leben nicht weiter, es wird nicht besser, weil wir uns selbst sabotieren. Das läuft oft unterbewußt – wir stehen dann nur vor dem Ergebnis und wundern uns, warum wir schon wieder an der selben Stelle gelandet sind.

Wie kann das passieren?

Was wir glauben und für möglich halten wird geprägt von unserer Sozialisierung und unseren Erfahrungen. Das beginnt bereits im Elternhaus und setzt sich im Job und der Gesellschaft fort.

Dazu eine meiner Lieblingsmetaphern:

Der Zirkusbär
Es war einmal ein Zirkusbär. Sein Zuhause bestand aus einem kleinen Käfig. Er war bereits in einem solchen Käfig geboren worden und verbrachte seine Freizeit damit, in diesem Käfig zehn Schritt vorwärts zu machen und wieder zehn Schritte rückwärts.
Irgendwann beschloss der Zirkusdirektor, den Zirkus aufzugeben. Er fuhr mit den Bären in den Wald, stellt den Käfig ab und öffnete die Tür, bevor er abfuhr. Der Bär steckte die Nase aus der offenen Käfigtür. Nun stand ihm die Welt offen für ein Leben als ein freier Bär. ER sprang aus dem Käfig. Er stapfte einen Schritt vorwärts, vier, sechs, acht, neun… Aber nach dem zehnten Schritt ging der Bär wieder zehn Schritte rückwärts… (nach Bert Hellinger)

Vom Bären zu uns:
Die Obergrenze des Glücks ist die in uns selbstgemachte Barriere vor dem „elften Schritt.“ Das kann nicht sein, dass darf nicht sein, das gibt es nicht … (als Kinder haben wir die übrigens noch nicht).
Zu den Themen Freude, Geld und Beziehungen kommen mir hier etliche Beispiele in den Sinn:
Darf/Kann  man mit Freude und wenig Arbeitsstunden viel Geld verdienen?
Darf /Kann etwas leicht sein – oder muss man sich alles erstmal erarbeiten? Zuneigung, Einkommen… No pain no gain?
Darf ich überhaupt glücklich sein? Was passiert, wenn ich auf die Frage, wie es mir geht, authentisch mit „mir geht es super!“ antworten kann. Worüber sprechen wir dann, wenn es nix mehr zu jammern gibt? 😉 (das gehört zum Spruch „Lass mir mein Problem.“).

Die Selbstsabotage kann in verschiedenen Gewändern daher kommen. Die gute Nachricht ist, einmal erkannt, gibt es Abhilfe. Die ist zwar nicht immer leicht – aber es lohnt sich vor allem dann, wenn Du die  Welt außerhalb Deines selbstgemachten Käfigs erkunden willst.

Variante 1: „Der sichere Traum“
Wir wünschen uns etwas – glauben aber insgeheim nicht wirklich daran, dass es das gibt. Z.B. Mit weniger Arbeitsstunden mehr Geld verdienen und Spaß bei der Arbeit haben.
Sabotage: wir träumen weiter, holen den Wunsch wie ein Film hervor, um kurzfristig ein besseres Gefühl zu bekommen, aber dabei auf der Couch (Komforzone) sitzenbleiben zu können.
Abhilfe:  Sei ehrlich zu Dir, hör mal in Dich rein – was denkst Du wirklich über das Thema?  Glaubst Du wirklich dran, dass es das gibt? Und wenn Du nicht daran glaubst, bist Du bereit, zu handeln und zu schauen, ob Du Beispiele findest oder und vielleicht sogar neu zu erschaffen? (Achtung, anstrengend! ;-))

Variante 2: „Program not found“
Was wir uns wünschen steht vor uns – aber wir erkennen es nicht (noch nie gesehen oder erlebt). Stell Dir mal vor, Du hast Dein ganzes Leben lang noch nie ein Auto gesehen. Du bist immer zu Fuß unterwegs gewesen oder auf dem Fahrrad. Manchmal überlegst Du Dir, wie Du schneller ans Ziel kommen könntest. Du denkst über die Wegstrecke nach, über einen schnelleren Gang, über etwas, das Du am Fahrrad verändern könntest. Und wenn du dann das erste mal an einem geparkten Auto vorbeikommen würdest, würdest Du nie auf die Idee kommen, dass das die Lösung sein könnte!
Sabotage: Unkenntnis.
Abhilfe: Such Dir Menschen, die schon leben, erfahren oder gesehen haben, was Du Dir wünschst. Lass Dir aus verschiedenen Perspektiven zeigen, wie es aussieht, sich anfühlen kann etc. So bekommst Du ein erstes Bild.

Variante 3: „Feier Fall“
Was wir wünschen steht vor uns – und wir bekommen Angst. In diesem Fall erkennen wir es zwar,  aber fühlen uns plötzlich hilflos, ängstlich, misstrauisch – denn wir haben nie gelernt, damit umzugehen.
Sabotage: Gedanken wie „Ist der wirklich nett zu mir oder gibt es da einen Haken?“ oder „Das ist zu schön, um wahr zu sein.“ sind der Klassiker. Das geht sogar soweit, dass wir manchmal lieber in problematischen aber gewohnten Situationen bleiben (auch wenn’s doof ist, aber was wie kennen, ist berechenbar und gibt uns ein Gefühl der Kontrolle) – statt uns mutig ins Neuland stürzen und neue Schritte zu lernen (um beim Bären Bild zu bleiben).
Abhilfe: Halte die unangenehmen oder komischen Gefühle aus, die vielleicht hochkommen, wenn Du vor einer neuen Situation stehst. Nimm sie wahr und freu Dich – sie sind ein sicheres Zeichen dafür, dass Du am Ende Deiner Komfortzone angekommen bist und jetzt Geschichte schreiben und lernen kannst! Und dann wage den elften Schritt.

Variante 4: „Die Kehrseite der Medaille“ 
Wir wünschen uns etwas aber tragen insgeheim negative Glaubenssätze darüber in uns. Ein immer wieder gerne genommenes Beispiel: viel Geld auf den Konto haben.
Sabotage: Glaubenssätze wir „Geld verdirbt den Charakter.“ „Man kann nicht auf legalem Weg schnell zu viel Geld kommen.“ …
Abhilfe: Prüfe mal Deine Glaubenssätze. Und dann hinterfrage sie. Ist das wirklich so? Welche Gegenbeweise kennst Du? Im konkreten Beispiel: Was bedeutet ein „guter Charakter“ für Dich und was könntest Du mit dem Geld anstellen, um diesen zu leben?

Wo ist Deine Obergrenze des Glücks und in welchem Gewand kommt sie daher?

Sei kein Zirkusbär! Setz den elften Schritt und erkunde die Welt!

Deine Birgit