In meinem letzten Artikel zum Thema Schlaf habe ich es kurz erwähnt: das Autogene Training.
Das Autogene Training ist eine meiner bevorzugten Entspannungsmethoden, denn es ist mit vielen anderen Techniken und Methoden verwandt, wie z.B. dem mentalen Training, den Affirmationen und der Hypnose.
Der zentrale Gedanke des Autogenen Trainings ist es, dass Gedanken und Vorstellungen Auswirkungen auf die Wirklichkeit haben. Insbesondere wirken Sie sich darauf aus, wie wir uns fühlen und in welchem Umfang und auf welche Art und Weise wir handeln.
Der Körper folgt dem Geist. – Bruce Lee
Wahrscheinlich klingt das anfangs etwas seltsam – tatsächlich erleben wir diesen Mechanismus aber täglich – zumeist unbewusst. Wir nehmen etwas wahr und unser Geist sucht ganz emsig nach einer Erklärung dafür. Die braucht er, damit er sich sicher fühlt. Dabei greift er auf eigene Erfahrungswerte zurück, auf Annahmen und Glaubenssätze – und manchmal sogar nur auf Informationen von Dritten. Und wenn nichts von alledem vorhanden ist, ist er sogar in der Lage, eine Geschichte zu erfinden, er kreiert sozusagen seinen bestmöglichen Erklärungsversuch. Die Erklärung unseres Geistes wiederum (die übrigens oft nur Bruchteile von Sekunden braucht) lässt ein Gefühl in uns aufsteigen und dieses Gefühl bestimmt dann unser Handeln.
Gerade heute habe ich dazu ein schönes Beispiel erlebt: Ein Motorrad-Händler in der Nähe hatte Saisoneröffnung und als Show-Element einen Stuntfahrer eingeladen. Der war einsame Spitze – unfassbar, was er auf und mit dem Motorrad alles angestellt hat. Ziemlich gegen Ende aber gab es einen Stunt, der trotz mehrfacher Anläufe nur so halbwegs gelang. Bei einer Unterhaltung mit dem Stuntman nach der Show stellte sich heraus, dass es an den Kindern lag, die ziemlich nah am Fahrbandrand saßen. Er hat den Gedanken nicht aus dem Kopf bekommen, dass den Kindern etwas passieren könnte. Und diese Gedanken haben dann seine Leistung eingeschränkt – in diesem Fall zum Schutz des Wohlbefindens anderer.
Manchmal produzieren wir aber auch unnötig Gedanken, die uns bremsen und unser eigenes Wohlbefinden und Handeln stark beeinträchtigen („ich kann das nicht“, „ich muss perfekt sein“, „ich muss beliebt sein“…). Mitunter können wir dann sogar körperliche Auswirkungen spüren (in der Medizin als psychosomatische Beschwerden bekannt). Oft sind es alte Muster, in denen wir stecken – unser Geist meint es gut mit uns – ist aber nicht immer hilfreich.
Unsere Gedanken sind so machtvoll – und doch gehen wir mit ihnen so sorglos um.
Meistens führen sie uns Gassi. Wie wäre es, wenn wir die Leine in die Hand nehmen und aktiv bestimmen, wo es gedanklich lang geht?
Das Autogene Training ist so eine Art Leine und macht sich den „der Körper folgt dem Geist“ Mechanismus zunutze.
Wie sehr Gedanken unsere körperlichen Reaktionen beeinflussen können zeigt die Zitronen-Übung:
Schließe die Augen und stelle Dir eine knallgelbe, reife und saftige Zitrone vor. Zerschneide die Zitrone in Gedanken mit einem Messer in zwei Hälften. Nimm eine der Hälften in die Hand und führe sie langsam an Dein Gesicht. Betrachte die Zitrone, rieche an Ihr und berühre sie ganz leicht mit der Zunge. Und jetzt beiße fest in die Zitrone hinein.
Höchstwahrscheinlich ist Dir nur bei der Vorstellung daran schon das Wasser im Mund zusammen gelaufen.
Zurück zum Autogenen Training – was ist das eigentlich?
Genau so funktioniert die Entspannungsmethode des Autogenen Trainings (und übrigens auch die Hypnose). Es ist die positive Beeinflussung des vegetativen Nervensystems über den Umweg der Gedanken. Man könnte Autogenes Training auch als Autosuggestion oder Selbst-Hypnose bezeichnen. Du bist Dein eigener Hypnotiseur.
Entwickelt wurde das Autogene Training vom Berliner Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz. Schultz fand heraus, dass manche lebenswichtige Vorgänge in unserem Körper, wie das Atmen und der Herzschlag, sich nicht willentlich beeinflussen lassen. Über den Umweg des Autogenen Trainings ist dies aber möglich und funktioniert über sogenannte suggestive Formeln. Das sind Sätze, die man sich in Gedanken sagt. Das klassische Autogene Training besteht aus mindestens 7 Sätzen, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen erlernt werden.
Für wen ist Autogenes Training geeignet?
Jeder kann Autogenes Training erlernen – auch schon Kinder ab ca. 6-7 Jahren. Besonders gut funktioniert es, wenn man unvoreingenommen an die Sache rangeht, es mit einem bestimmten Ziel vor Augen trainiert und an sich glaubt.
Wann und wie oft übe ich am besten?
Den richtigen Zeitpunkt für das Üben von Autogenem Training muss jeder für sich selbst herausfinden – eine Übung dauert ca. 10-20 Minuten. Aber auch schon 5 Minuten können eine Wirkung erzielen. Am besten übst Du am Anfang 1-2x pro Tag – z.B. morgens nach dem Aufstehen und Abend vor dem Schlafengehen. Durchführen kannst Du es im Sitzen oder im Liegen. Achte im Liegen darauf, dass Dein Kopf leicht erhöht ist und lehne Dich im Sitzen gerne an. Beliebt ist auch die sogenannte Droschkenkutscherhaltung.
Was habe ich davon?
Neben der bereits genannten, bewussten Beruhigung des vegetativen Nervensystems und der damit verbundenen Entspannung kann das Autogene Training bei der Erreichung persönlicher Ziele helfen . Dies geschieht, indem Du eine eigene Vorsatzformel erstellst und in das Training einbaust. So kann es zum Beispiel helfen bei:
- Stressabbau
- Steigerung der Konzentration
- Verbesserung von schulischen oder beruflichen Leistungen
- Gewichtsabnahme oder Änderung der Essgewohnheiten
- Schlaflosigkeit
- Steigerung von sportlichen Leistungen
- Stärkung des Immunsystems
- Steigerung des Selbstwertgefühls
- Reduktion von Angstzuständen
Außerdem trainierst Du Deinen Geist und Körper, sich in kurzer Zeit selbst in einen entspannten Zustand zu bringen – was in vielen Alltagssituationen von Nutzen sein kann.
Wo und wie fange ich an?
Für den Anfang kannst Du dir meine Audio Datei (in der Browseransicht) unter diesem Artikel anhören, um einen ersten Eindruck zu bekommen
Außerdem kannst Du im Internet nach weiteren Audio Dateien für Autogenes Training suchen – z.B. auf YouTube, SoundCloud oder Spotify.
Im Handel gibt es auch zahlreiche CDs zum Thema oder Du kannst Dich vor Ort einmal umsehen, ob irgendwo Autogenes Training angeboten wird (z.B. an der Volkshochschule oder Abendakademie?)
Viel Freude beim positiven Nutzen Deiner Gedanken und dem Autogenen Training!
Deine Birgit