Neugier – oder: fragen kostet nix

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Aktuell lese ich das Buch „Der Traum vom unangepassten Leben“ von Bernard Moestl. Darin schildert der Autor aus seinen über 30 Jahren Reiseerfahrung unterschiedliche Erlebnisse, die dazu anregen, sich über verschiedene Themen im Leben Gedanken zu machen.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Geschichte, die er zum Thema Neugier geschildert hat.

Unterwegs in Thailand, setzte er sich mit im Supermarkt gekauften Lebensmitteln an der frischen Luft nieder, um diese zu essen. In der Gegend, in der er sich befand, war es wohl eine Seltenheit, „Europäer zu sichten“ – und so kamen nach und nach Menschen vorbei, die ihn erstaunt betrachteten. Darunter auch Mütter mit ihren Kindern. Eine ging gar und kam mit weiteren Kindern wieder, um ihnen den „Ausländer“ zu zeigen. Ein kleines Mädchen kam sogar auf ihn zu und stellte ihm eine Frage.
Und nun stell Dir diese Szene mal in unserem Land vor.
Undenkbar, oder?
Einfach auf jemand fremdes zugehen und was fragen, das „macht man nicht“.

Tatsächlich ist Neugier ein angeborener Instinkt. Anfangs noch so wichtig, um die Welt zu erkunden und alles zu lernen, wird uns die Neugier dann  im Laufe der Jahre förmlich aberzogen.
„Du kannst doch nicht einfach auf jemand zugehen und was fragen!“
Ja, warum eigentlich nicht?
Warum wird das als unhöflich und aufdringlich angesehen?
Kann ich nicht davon ausgehen, dass mein Gegenüber erwachsen genug ist, um eine Antwort zu verweigern – falls die Frage unangemessen war – oder um sich „zu wehren“?

Gerade in unserer westlichen Welt haben wir so viel von unserer kindlichen Neugier verloren – und ich fürchte, Handys & Co. verstärken noch den Effekt, dass man lieber Google fragt als die Person, die vor einem steht.

Eine respektvolle Wissbegierde und echtes Interesse am Gegenüber kann aber doch nichts Schlimmes sein?
Und spinnen wir die Idee mal weiter:
Ich sehe jemanden, der etwas an sich hat, was mich total neugierig macht – z.B. eine Kopfbedeckung oder eine Tracht, die mir unbekannt ist.
Variante 1 wäre nun, hinzugehen, und zu fragen.
Variante 2 – die „höfliche“ – wäre, Zurückhaltung zu üben und nicht zu fragen. Aber was passiert dann?

Wenn ich keine Antworten bekomme, stricke ich mir welche. Ich beginne, Vermutungen anzustellen und meine Neugier mit einer selbstgestrickten Geschichte über die Person zu befriedigen. Und was mit solchen Geschichten dann passiert – vor allem, wenn sie weitererzählt werden, wissen wir alle …
Ist es also wirklich höflicher, wenn ich vage oder inkorrekte Vermutungen anstelle, anstatt zu fragen?

Mir hat das zu denken gegeben und ich habe mir vorgenommen, öfter den Mut aufzubringen, direkt auf Menschen zuzugehen und mehr zu fragen.
Was gibt es schon zu verlieren?

In welchen Situationen und Begegnungen könntest Du vielleicht noch mutiger sein und mal direkt fragen?

Versuch’s mal und lass Dich überraschen.

Meist fällt nicht nur die Reaktion Deines Gegenübers anders aus als erwartet – oft erfährst Du auch Dinge, die Du nie vermutet hättest!
Und manchmal ist es der Start für wundervolle Begegnungen und Bekanntschaften.

Bleib neugierig!

Deine Birgit 

Meditation

Weil der Beginn eines neuen Jahres ja auch häufig die Zeit ist, in der wir uns überlegen, welche neuen Gewohnheiten wir etablieren könnten, die uns gut tun, habe ich Dir heute noch einmal meinen Artikel über Meditation hervorgeholt – für die ich eine Lanze brechen möchte. Vielleicht ist eine der Meditationsarten ja was für Dich? Viel Freude beim Lesen und dabei, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen.

Obwohl das Thema Meditation und Ihre Wirkung mittlerweile wissenschaftlich sehr gut erforscht ist, erlebe ich oft ein wenig Zurückhaltung oder Berührungsängste, wenn ich es als Entspannungstechnik vorschlage. Vielleicht liegt es daran, dass damit die unterschiedlichsten Vorstellungen – von angenehm bis mysteriös – verknüpft werden.
Fakt ist, Meditieren kann jeder, überall und jederzeit. Man muss keine besondere Überzeugung haben oder annehmen und es bedarf keiner besonderen Talente oder Vorkenntnisse. Meditieren ist eine Reise zu Dir selbst, und auch wenn es am Anfang von Vorteil ist, dafür den selben Ort und die selbe Zeit zu wählen, ist Mediation orts- und zeitunabhängig.

Es gibt verschiedene Meditationsarten und Praktiken.
Die geführte Mediation ist wie eine Art innere Reise – manchmal eine Fantasiereise, wie sie auch in diesem Blog zu finden ist, oder ein achtsame Reise durch den eigenen Körper (Bodyscan).

Die klassische (stille) Mediation kann als eine Art mentales „Ausklinken“ aus der Umgebung und den eigenen Gedanken gesehen werden. Dies kann durch die Konzentration auf den eigenen Körper (z.B. Atmung), auf ein Mantra (Mantra-Meditation) oder auf einen echten oder visualisierten Gegenstand geschehen (z.B. Kerze).
Und so fremd ist uns das „Ausklinken“ nicht. Ich bringe hier immer gerne das Beispiel des „automatischen nach-Hause-Fahrens“ an, wenn man mit dem Auto eine bekannte Strecke wie im Autopilot abfährt und dabei in Gedanken manchmal woanders ist. Ich würde das Alltagstrance nennen. In diesem Fall allerdings „werden wir gesteuert“. Wir lassen uns durch unsere Gedanken hinfort tragen. Was durch die Meditation hingegen trainiert wird, ist unsere Wahrnehmung und die bewusste Lenkung unserer Aufmerksamkeit auf EINE Sache. Eine Eigenschaft, die besonders in anspruchsvollen Situationen sehr nützlich sein kann.

Viele glauben, bei der Meditation sei es wichtig, an nichts zu denken. Dabei strengen sie sich so sehr an, nichts zu denken, ärgern sich oder sagen „das funktioniert bei mir nicht“, wenn Ihnen dann doch Gedanken durch den Kopf gehen.
Klingt nicht sehr entspannend.
Es stimmt zwar, dass es beim Meditieren darum geht, den Geist zu Ruhe zu bringen – aber es ist völlig normal, dass während einer Meditation Gedanken aufkommen können – oder auch körperliche Empfindungen (wie z.B. Zucken oder Jucken verschiedener Körperstellen). Die Kunst liegt nun darin, das wahrzunehmen und anzunehmen, ihm aber keine Bedeutung zu schenken und sich weiter auf die Meditation einzulassen. D.h. wie ein externer Beobachter zu registrieren: „aha, ich denke gerade an…“ – und den Gedanken dann ziehen zu lassen. Oder „aha, da juckt es jetzt“ – und es jucken zu lassen (es hört auf, versprochen!). Manchmal hilft es auch, sich vor dem Meditieren körperlich zu betätigen – sei es eine leichte Sporteinheit, ein Spaziergang oder Yoga. Dann ist der Kopf meist schon etwas freier.

Wie bei vielen Entspannungstechniken gilt auch bei der Meditation: steter Tropfen höhlt den Stein. Es ist eine Art Training der Stille für Körper, Geist und Seele. Mit der Zeit fällt das Stillsitzen immer leichter. 1-2x pro Tag ist ratsam, zu Beginn reichen 5-7 Minuten aus. Später kann die Dauer nach Belieben und Möglichkeiten gesteigert werden.

Meditiert werden kann im Sitzen oder Liegen – es sollte bequem sein, aber nicht so bequem, dass Du sofort einschläfst (im Sitzen am besten nicht anlehnen). Es ist nicht erforderlich, den Schneider- oder Lotussitz zu beherrschen. Achte aber darauf, dass Dein Brustkorb aufrecht ist und Du frei atmen kannst.

Nun aber genug Theorie – probier‘ es doch einfach mal aus. Hier ein paar Links und Tipps zum Beginnen:

1. Meditations-App „7Mind“: Hat eine schöne Einleitung und kostenfrei verschiedene Basismeditationen. Auch kannst Du hier individuelle Meditationen anlegen. www.7mind.de

2. Achtsamkeits-App „Achtsamkeit“: Auch diese App bietet einen schöne Einführung in die Meditation; die kostenfreie Version beinhaltet darüber hinaus eine geführte Achtsamkeitsmeditation und die Möglichkeit, eine individuelle Meditation (Dauer, Stille oder geführt und Hintergrundgeräusche) einzustellen.
Bei Google Play – bei iTunes

3. Youtube: Es lohnt sich, zu stöbern und auszuprobieren. Inhalt, Stimme und Art der Meditation müssen gefallen. Hier zwei Beispiele:
https://www.youtube.com/watch?v=IwqO8t-IHOY
https://www.youtube.com/watch?v=ZQLOWU-DdNY&list=PL3umatoJuZ2fI9cpjGIfhHbVMPkEMNI1T&index=38

Einen schönen Artikel zum Thema Meditations-Apps mit weiteren Empfehlungen findest Du hier bei Utopia.

Viel Spaß beim Ruhe finden und – mach Dir keinen Kopf.

Alles Liebe, Deine Birgit

Laber net, mach!

Schafe, Blöken, Kommunikation, Kommunizieren, Sprechen
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Ist es nicht wunderbar, dass der Mensch – im Gegensatz zum Tier – die Sprache hat, um sich zu verständigen? Die Deutsche Sprache hat schätzungsweise zwischen 300.000 und 500.000 Worte. Und doch erlebe ich immer wieder, dass Kommunikation eben nicht funktioniert. Auch wenn wir die selbe Sprache sprechen.

Wie oft glauben wir zu wissen, wie etwas gemeint war – reagieren entsprechend und wundern uns dann über die erstaunte Reaktion unseres Gegenübers?

Das größte und einzige Problem in der Kommunikation ist die Illusion, dass sie stattgefunden hat. – George Bernard Shaw

Dass es trotz der vielen Worte und gemeinsamen Sprachen mit der Kommunikation nicht so einfach ist, ist natürlich. Denn wir kommunizieren eben nicht nur Worte, sondern auch „zwischen den Zeilen“ Wünsche, Erwartungen, Erfahrungen. Wir beschreiben die Welt eben nicht so, wie sie ist, sondern wie WIR sind, wie WIR sie sehen. Und wie oft hören wir gar nicht richtig zu sondern beginnen schon während des Zuhörens mit dem Interpretieren dessen, was gesagt wird und dem Zurechtlegen einer passenden Antwort?
Ich könnte jetzt hier zahlreiche Kommunikationsmodelle erwähnen, aber darum geht es mir gar nicht. Vielmehr habe ich mich in letzter Zeit des Öfteren gefragt, wie es mir besser gelingen kann, zu verstehen, was gemeint ist, sozusagen besser in die Welt meines Gegenübers einzutauchen, um Missverständnisse zu vermeiden und vor allen, um den anderen wirklich zu sehen. Und zwar nicht meine Interpretation von ihr oder ihm, sondern seine/ihre wahre Natur.

Versuche erst, zu verstehen, bevor zu versuchst, verstanden zu werden. – Steven Covey

Meines Erachtens helfen die folgenden Aspekte dabei:

  1. Verstehen wollen = Rechthaben wollen loslassen: Um sich wirklich auf die Perspektive des anderen einzulassen (was nicht heißt, dass ich ihr zustimme), muss ich zunächst einmal zuhören um zu verstehen – und nicht, um zu widerlegen oder einen „Angriffspunkt“ herauszuhören. Dazu benötige ich echtes Interesse, die Erkenntnis, dass es oft kein Richtig oder Falsch – nur ein Anders – gibt, und die Fähigkeit, mich beim Zuhören zurück zu nehmen.
  2. Klar kommunizieren: anderen kann ich es leichter machen, indem ich nicht „verschleiert“ kommuniziere – sondern sage, was ich meine und meine, was ich sage. Das ist vielleicht manchmal etwas „unromantisch“, aber klarer. Dennoch ist es vielleicht aus Gründen der Höflichkeit oder des Respekts nicht immer möglich. Deshalb ist eine weitere wichtige Eigenschaft
  3. Verständnis klären und nachfragen: ganz simpel. Wie ist es gemeint? Ist es so gemeint, wie ich es verstanden habe?
  4. Anhand von Taten urteilen: Eine der zuverlässigsten Methoden, zu verstehen, wie etwas gemeint war, ist, zu schauen, wie sich der andere tatsächlich verhält. Folgen den Worten auch Taten? Passt das Verhalten zu den Worten? Aber auch auf mich bezogen: lebe ich, was ich sage?

Gerade jetzt zu dieser Zeit im Jahr, in der wir auch immer ein wenig zurückblicken, ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, einmal folgendes zu prüfen:

  • Wo ist mir die Kommunikation mit den Personen in meinem Umfeld gut gelungen? Wo weniger?
  • Neige ich dazu, zu interpretieren, zu glauben, was gemeint ist – ohne es zu überprüfen?
  • Wo könnte ich vielleicht mehr auf Taten statt auf Worte achten? Bei anderen? Aber auch bei mir selbst?
  • Und wo möchte ich im kommenden Jahr vielleicht meinen Worten Taten folgen lassen?

Auf dass es uns – gerade in der heutigen Zeit, in der so viel geschrieben wird – öfter gelingt, persönlich miteinander in den Austausch zu gehen – mit dem Willen und dem Wunsch, einander wirklich zu sehen – und den Worten auch Taten folgen zu lassen!

Oder wie eine liebe Freundin so gerne sagt: Laber net, mach! 😉

In diesem Sinne, bis nächste Woche,

Deine Birgit

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral

Foto: Birgit Baldauf

Die Weihnachtszeit ist ja bekanntlich auch die Zeit der Geschichten. Deshalb gibt es heute mal etwas Inspiration für den Geist mit der folgenden Kurzgeschichte von Heinrich Böll (am Ende des Artikels auch als Audio-Datei, falls Du lieber hörst als liest). Viel Freude damit!

In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst. Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen, schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze.
Klick.
Noch einmal: klick, und da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt. Aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die eilfertige Höflichkeit ab.

Durch jenes kaum meßbare, nie nachweisbare zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Tourist – der Landessprache mächtig – durch ein Gespräch zu überbrücken versucht. „Sie werden heute einen guten Fang machen.“
Kopfschütteln des Fischers.
„Aber man hat mir gesagt, daß das Wetter günstig ist.“
Kopfnicken des Fischers.
„Sie werden also nicht ausfahren?“
Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen.

Gewiß liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpaßte Gelegenheit.
„Oh? Sie fühlen sich nicht wohl?“
Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über.
„Ich fühle mich großartig“, sagt er. „Ich habe mich nie besser gefühlt.“ Er steht auf, reckt sich, als wollte er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist. „Ich fühle mich phantastisch.“

Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht:
„Aber warum fahren Sie dann nicht aus?“
Die Antwort kommt prompt und knapp.
„Weil ich heute morgen schon ausgefahren bin.“
„War der Fang gut?“
„Er war so gut, daß ich nicht noch einmal ausfahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen.“

Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen auf die Schulter. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis.
„Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug!“ sagte er, um des Fremden Seele zu erleichtern.
„Rauchen Sie eine von meinen?“ „Ja, danke.“
Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.
„Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen“, sagt er, „aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus, und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht sogar zehn Dutzend Makrelen fangen. Stellen Sie sich das mal vor!“
Der Fischer nickt.
„Sie würden“, fährt der Tourist fort, „nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren – wissen Sie, was geschehen würde?“
Der Fischer schüttelt den Kopf.
„Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen – eines Tages würden Sie zwei Kutter haben, Sie würden…“, die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, „Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben, sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren – und dann…“ – wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache. Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen. „Und dann“, sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache. Der Fischer klopft ihm auf den Rücken wie einem Kind, das sich verschluckt hat. „Was dann?“ fragt er leise.
„Dann“, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, „dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer blicken.“
„Aber das tu ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer, „ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört.“
Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, aber es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral

Quelle: Böll, Heinrich, Werke: Band Romane und Erzählungen 4. 1961-1970. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1994, S. 267-269

Refugium – Polarstern

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Diese Woche gibt es nicht viel zu lesen – dafür etwas zum Hören und Entspannen. Mit der eingebetteten Tondatei (Browseransicht) lade ich Dich auf eine Fantasiereise ein – zu Deinem Polarstern. Wenn uns im Außen alles um die Ohren fliegt, ist es besonders wichtig, innere Ruhe zu finden.

Wem die Zentrierung fehlt, für den wird jeder Balanceakt zum Kraftakt.

Damit dies für Dich nicht so wird, hönn‘ Dir Zeit für Dich und such Dir am besten einen Ort, an dem Du abschalten kannst und für ca. 10 Minuten ungestört bist – um Dich zu zentrieren.

Kopfhörer auf – Tondatei anklicken und genießen.

Gute Reise und einen funkelnden Sonntag,

Deine Birgit

Refugium Polarstern – eine Fantasiereise

Ungewissheits-Toleranz

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Das Gefühl, Situationen ausgesetzt zu sein, die wir nicht kontrollieren oder beeinflussen können und Ungewissheit sind zwei der größten Stressfaktoren für den Menschen.
Laut dem Salutogenese-Modell nach Aaron Antonovsky, trägt zum Erhalt unserer Gesundheit unser Kohärenzsinn bei – d.h. ein „durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens  – und zwar Vertrauen darauf, dass:

  • die Anforderungen aus der inneren und äußeren Erfahrungswelt im Verlauf des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind – Gefühl von Verstehbarkeit (sense of comprehensibility)
  • die nötigen Ressourcen verfügbar sind, um den Anforderungen gerecht zu werden – Gefühl der Wirksamkeit (sense of manageability)
  • diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investition und Engagement verdienen – Gefühl von Sinnhaftigkeit (sense of meaningfulness)“*

Je ausgeprägter dieses Kohärenzgefühl, desto besser können wir widrige Umstände meistern und flexibel auf Anforderungen reagieren. Hierin spiegeln sich auch die menschlichen Grundbedürfnisse der Kontrolle, Sicherheit und Gewissheit wider. Kommen uns diese abhanden, so verursacht das in hohem Maße Stress – einen Stress, der erst nachlässt, wenn wir die Quelle der Ungewissheit beseitigt haben.

Warum ich das hier schreibe?

Weil mir in den letzten Tagen wieder bewusst geworden ist, in welchem Maß die aktuelle Situation (noch immer) schwer verstehbar und unerklärlich ist, wie groß die Ungewissheit ist, ob wir sie meistern werden und welchen Sinn sie macht.
Wir müssen regelmäßig Entscheidungen treffen – und aktuell keine leichten – nämlich solche, die unsere Gesundheit und die anderer Menschen betreffen.
Doch wie, ohne Erklärung, ohne Gewissheit, was richtig ist?
Weil es Erleichterung verschafft, sind wir deshalb manchmal besonders empfänglich für jegliche Art von Erklärung. Besser eine komische Geschichte als gar keine Erklärung. Da haben wir dann wenigstens etwas, an das wir uns klammern können, das uns das Gefühl der Kontrolle zurückgibt.
Einfacher auf jeden Fall, als sich einzugestehen, dass man eigentlich nicht so recht weiß, allenfalls Anhaltspunkte hat, und eigentlich ängstlich und verunsichert ist.
Und wie es aussieht, ist erstmal kein Ende in Sicht.

Auch ich merke, wieviel Energie das zieht und ich mir immer bewusster überlege, wem oder was ich meine Aufmerksamkeit schenken möchte – ich brauche die Kraft, um Entscheidungen zu treffen, mit denen ich im Reinen bin.
Und da auch ich keinerlei Erfahrungswerte habe und ebenso im Nebel tappe, wie alle anderen, fällt auch mir das nicht leicht.

Deshalb habe ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen, was mir dabei hilft, nicht den Verstand zu verlieren 😉

Die folgenden Dinge haben sich für mich in den letzten Monaten bewährt, weswegen ich sie mit Dir teilen möchte:

Trainiere Deine Ungewissheitstoleranz

Das machst Du am besten, indem Du ab und zu mal Deine Routinen durchbrichst oder „Mikroabenteuer“ in den Alltag einflechtest. Kaufe z.B. ein Lebensmittel ein, dass Du  noch nicht kennst und bereite es zu. Oder plane eine Wandertour – mal nur mit echter Papierkarte, ohne Handy und GSP (früher war das Realität, kein Abenteuer, verrückt! ;-)). Plane einen Wochenendtrip – ohne die Übernachtung im Vorfeld zu buchen.
Die Fähigkeit, Dinge aus möglichst vielen Perspektiven zu sehen, ist ebenfalls förderlich. Das kannst Du zum Beispiel trainieren, indem Du Dir Kunst anschaust oder anhörst. Was kann man alles in einem Bild erkennen? Was würdest Du sehen, wenn Du jemand anders wärst? Welche Bilder lassen gewisse Lieder vor Deinem inneren Auge entstehen …?
Was ich für ein ebenfalls sehr gutes Training für mentale Agilität und den Umgang mit Ungewissheit und ständiger Veränderung halte, sind Übungen aus dem Impro-Theater. Hier lernst Du, spontan zu agieren und reagieren – und auch, das Ergebnis anzunehmen und damit weiter zu arbeiten – egal, wie es ausfällt. (Falls das spannend klingt: Das Impro-Theater Mannheim bietet in regelmäßigen Abständen Workshops an.)

Rückzug für Ruhe

Unser Geist ist wie ein Bergsee. Wenn wir ihm auf den Grund kommen wollen, braucht es eine stille Wasseroberfläche. Die ist schwer zu erreichen, wenn von außen immer wieder Steinchen reingeworfen werden oder Wind und Wetter über ihn drüberfegen. Nimm Dir regelmäßige Auszeiten vom Lärm, der Unruhe, dem Aktionismus, den tausend Meinungen und allem anderen, das Dir Energie zieht. Rückzugsmöglichkeiten – ob kürzer oder länger – sind essentiell, um zur Ruhe und wieder in Verbindung mit Deiner inneren Stimme zu kommen – die Dir bei Deinen Entscheidungen helfen wird.

Informationsmanagement

Um beim Bild des Sees zu bleiben: entscheide und steuere aktiv, welche Steine Du bis auf den Grund sinken lassen möchtest. Sprich: Filtere Informationen oder gehe dazu über, sie Dir nur noch aktiv zu holen anstatt zu versuchen, aus dem Wust, der Dir täglich entgegenschlägt, die hilfreichen von den weniger hilfreichen zu trennen.

Triff bewusste Entscheidungen – und mache Deinen Frieden damit

Mit mehr Klarheit und Ungewissheitstoleranz wird es Dir schon etwas leichter fallen, für Dich zu entscheiden. Nun brauchst Du nur noch den Mut dazu – und das Vertrauen in Dich, dass Du bestmöglich entschieden hast. Ob  Du mit Deiner Entscheidung im Reinen bist, merkst Du daran, dass Du kein Bedürfnis hast, Dich dafür zu rechtfertigen oder andere dazu zu bringen, sie „abzusegnen“. Entscheidungen geschehen immer aus der momentanen Situation heraus. Mach also Deinen Frieden damit. Auch wenn sie sich im Nachhinein als ungünstig herausstellen. Es hilft nix zu sagen: „Hätte ich damals gewusst, was ich jetzt weiß..“ – Du hast es damals nicht gewusst. Ende der Geschichte. Es gibt eben keine Gewissheit 😉

Sprich über Deine Ängste, Unsicherheiten

… und wie Du damit umgehst. Sei eine Inspiration, kein/e Bekehrer/in. So haben vielleicht auch andere den Mut, darüber zu reden und ein bereichernder Erfahrungs-Austausch, wie man in Zeiten von Ungewissheit und Kontrollverlust bei Gesundheit bleibt, wird möglich.

Gerne darfst Du Dich auch bei mir melden, wenn Du jemanden für den letzten Punkt brauchst.

Gib auf Dich acht!

Deine Birgit

*aus Salutogenese-Modell | Definition und Erklärung (academyofsports.de)

Was ist Angst?

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Heute möchte ich eine Geschichte aus einem meiner Lieblingsbücher erzählen, das ich vor einigen Monaten von einer guten Freundin geschenkt bekommen habe. Das Buch heißt „Who ordered this truckload of dung“ und besteht aus 108 Kurzgeschichten, die der buddhistische Mönch Ajahn Brahm erzählt. Die Geschichten spiegeln die Schwierigkeiten des Lebens wider und regen zum Nachdenken an, wie man sie bewältigen kann. Einige von ihnen handeln von Angst und Schmerz.
Und eine davon geht so:

Angst ist die Suche nach Fehlern in der Zukunft. Wenn wir nur berücksichtigen würden, wie ungewiss unsere Zukunft ist, dann würden wir nie versuchen, vorherzusagen, was schief gehen könnte. Die Angst endet genau hier.
Als ich klein war, hatte ich schreckliche Angst vor dem Zahnarzt. Ich hatte einen Termin und wollte nicht hingehen. Ich habe all möglichen Sorgen gemacht. Als ich beim Zahnarzt ankam, sagte man mir, mein Termin sei abgesagt worden. Ich lernte, was für eine Verschwendung von kostbarer Zeit Angst ist.
Die Angst löst sich in der Ungewissheit der Zukunft auf. Aber wenn wir unsere Weisheit nicht nutzen, kann die Angst uns auflösen. In einer alten Fernsehserie namens Kung Fu hätte sie den jungen buddhistischen Mönch, Little Grasshopper, fast aufgelöst. Ich habe diese Serie in meinem letzten Jahr als Lehrer, bevor ich Mönch wurde, immer wieder gesehen.
In einer Folge führte der blinde Meister von Little Grasshopper den Novizen in ein Hinterzimmer des Tempels, das normalerweise verschlossen war. In diesem Raum befand sich ein etwa sechs Meter breites Schwimmbecken mit einer schmalen Holzplanke als Brücke von einer Seite zur anderen. Der Meister warnte Little Grasshopper, sich vom Rand des Beckens fernzuhalten, denn es enthielt kein Wasser, sondern eine sehr starke Säure.
„In sieben Tagen“, wurde Little Grasshopper gesagt, „wirst du geprüft werden. Du wirst über das Säurebecken gehen müssen, indem du auf dem Holzbrett balancierst, aber sei vorsichtig! Siehst du auf dem Grund des Säurebeckens die Knochen hier und dort?“
„Sie gehörten einst jungen Novizen wie dir.“
Der Meister führte Grasshopper aus dem schrecklichen Raum hinaus in das Sonnenlicht des Tempelhofs. Dort hatten die älteren Mönche ein Brett aufgestellt, das genau so groß war wie das über dem Säurebecken, das aber auf zwei Ziegeln stand. In den nächsten sieben Tagen hatte Grasshopper keine andere Aufgabe, als das Gehen auf diesem Brett zu üben.
Es war ganz einfach. Nach ein paar Tagen konnte er mit perfektem Gleichgewicht, sogar mit verbundenen Augen, über das Brett im Hof laufen. Dann kam die Prüfung.
Grasshopper wurde von seinem Meister in den Raum mit dem Säurebecken geführt. Die Knochen der gefallenen Novizen schimmerten am Boden. Grasshopper stieg auf das Ende des Brettes und drehte sich zu seinem Meister um. „Geh“, wurde ihm gesagt.
Eine Planke über Säure ist viel schmaler als eine gleich große Planke im Tempelhof.
Grasshopper begann zu gehen, aber sein Schritt war unsicher; er begann zu schwanken. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft. Er schwankte noch mehr. Es sah so aus, als würde er in die Säure fallen! Die Serie wurde für eine Werbepause unterbrochen.
Ich musste diese blöden Werbespots ertragen, während ich mir die ganze Zeit Sorgen machte, wie der arme Little Grasshopper seine Knochen retten würde.
Die Werbung endete, und wir waren wieder im Säure-Pool-Raum, wo Grasshopper begann, sein Selbstvertrauen zu verlieren. Ich sah, wie er einen unsicheren Schritt machte … dann schwankte er … dann fiel er hinein … oh nein!
Der alte blinde Meister lachte, als er hörte, wie der Little Grasshopper im Becken herumspritzte. Es war keine Säure, es war nur Wasser. Die alten Knochen waren als „Spezialeffekt“ hineingeworfen worden. Sie hatten Little Grasshopper genauso getäuscht wie mich.
„Warum bist du hineingefallen?“, fragte der Meister ernst. „Du bist aus Angst hineingefallen, Little Grasshopper , nur aus Angst.“

Reden kocht keinen Reis

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Dieses chinesische Sprichwort ist mir neulich untergekommen – und ich liebe es!
Ist es nicht so, dass Wissen und Erkenntnis erst dann wirklich hilfreich sind, wenn uns die Umsetzung gelingt?
Sicherlich ist es gut, ein paar Gedanken zu verlieren – oder auch auszutauschen, bevor man ins Handeln kommt – aber irgendwann sollte man dann auch wirklich handeln. Reden hat nicht wirklich viel praktischen Nutzen.

Bei so mancher Diskussion frage ich mich am Ende: und nu? Was MACHEN wir jetzt damit? Ging es nur darum, zu Jammern und das eigene Ego zu streicheln (denn natürlich wissen wir immer, wie WIR oder MAN es besser machen könnte!) oder überlegen wir jetzt auch gemeinsam, was man tun kann?

Ist ein bisschen wie beim Fußball oder wenn man jemandem auf der Bühne zuhört: im Publikum zu sitzen und das zu kritisieren, was da abgeliefert wird, ist leicht. Aber würde ich mich aufs Spielfeld stellen oder auf diese Bühne – und unter Beweis stellen, dass ich das besser kann wo ich doch weiß, woran es liegt?

Ich erinnere noch bis heute eine Situation bei meiner mündlichen Abschlussprüfung zur Hotelfachfrau: ich saß mit zwei weiteren Auszubildenden gleichzeitig vor einem Prüferkomitee von 5 Personen. Wir wurden der Reihe nach zu verschiedenen Themen befragt. Auf fast alle Fragen, die meine beiden Leidensgenossinnen gestellt bekommen haben, hatte ich natürlich die Antwort – aber ich war nicht an der Reihe. Und als ich dann endlich dran war — äh, ja, nee, also DIE Frage, ähm, Moment …

Ja, Reden, Wissen und Meinungen austauschen sind wichtige Aspekte,  um zu einer Einschätzung zu kommen und dann entscheiden zu können. Aber:

Reden verändert vielleicht Perspektiven. Handeln die Welt.

Und von mutigen Macher-Persönlichkeiten können wir mehr brauchen, finde ich. Redner haben wir genug. Vielleicht hilft es auch, wenn wir den Umsetzern mehr Wertschätzung schenken, dass sie z.B. voran gehen, sich dem Feuer stellen, der Ungewissheit und dem Druck. Vielleicht ermutigt diese Wertschätzung dann auch andere, ins Handeln zu kommen.

Denn das Beste am Machen ist: Taten sind viel überzeugender, als Worte.

Die Welt braucht Vorbilder – egal, ob es der Chef bei der Arbeit ist, die helfende Hand der Nachbarin oder Freunde, die für uns da sind.

Show, don’t tell – sagt man auch beim Film und in der Literatur. Erzähl nicht, wie es dem Protagonisten geht – vermittle es dem Publikum durch sein Handeln.

Oder noch salopper ausgedrückt: laber net, mach! 😉

Wo könntest Du noch mehr tun statt reden, um was zu verändern?

Ich selbst bin erst gestern in Bezug auf ein Thema von jemandem gefragt worden: „Und, lebst Du’s auch?“ Ich liebe solche Menschen, ich liebe solche Fragen!

In diesem Sinne höre ich jetzt auf zu Labern und werde mal schauen, wie ich meine Frage an Dich für mich selbst beantworte!

Eine mega mutige Macher-Woche Dir!

Deine Birgit

3 Schritte, um Deinen Gleichmut zu stärken

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Gleichmut. Ein spannendes Wort. Zuletzt ist es mir in meiner Yogalehrer Ausbildung untergekommen. Beim Thema „Dinge hinnehmen und annehmen“ zucke ich immer leicht. Wenn wir immer alles hinnehmen und annehmen, wie soll sich dann je etwas ändern?
Wie kann ich Dinge hinnehmen und dennoch in Verbindung bleiben, engagiert bleiben?
„Gleichmut – nicht Gleichgültigkeit“, meinte meine Yogalehrerin.

Das Wort gefällt mir.

Ich bin immer gleich-mutig – egal welcher Situation ich mich gegenüber sehe. Im Mut steckt Aktivität – Mut braucht man, um etwas zu tun — oder manchmal braucht man sogar noch mehr Mut, um etwas bewusst zu lassen.
Gleichmut bedeutet,  innere Stabilität zu wahren, egal, was mir im Außen um die Ohren fliegt. (Und gerade aktuell fliegt uns ja wieder einiges um die Ohren.)
Eine Stabilität und Ruhe, die es mir ermöglicht, dass ich mich etwas berührt – ohne dass es mich aus den Schuhen haut.
Gleichmut ist die ruhige Mitte.

An den beiden anderen Enden des Spektrums stehen für mich Gleichgültigkeit und Empörung. Beides nicht hilfreich.
Wenn mir alles egal ist, habe ich die Verbindung zum Leben und den Menschen gekappt. Ich habe die Kontrolle komplett abgegeben. Dann kann mich auch nichts mehr erfüllen.
Wenn ich mich über alles aufrege, werde ich aufgrund meines geistigen-emotionalen „Notstandes“ schwerlich lösungsorientiert denken und handeln können – also vielleicht was ändern wollen, aber nicht vernünftig können.

Gleichmut hingegen bedeutet, eine friedliche Haltung einzunehmen, allem voran, in Frieden mit mir selbst zu sein. Nur dann kann ich bewusst und selbstbestimmt meine Aufmerksamkeit und meine Energie auf die Dinge lenken, die mir wichtig sind, die ich verändern kann und die ich verändern möchte – damit es mir und den Menschen um mich herum besser geht. Das bedeutet nicht, Dinge zu ignorieren – wohl aber,  an Dinge, die mich runterziehen oder die ich nicht ändern kann, keine wertvolle Lebenszeit und -energie zu verschwenden.

Um Gleichmut zu trainieren (und dieses Training hört nie auf ;-)), braucht es drei Dinge:

  1. Kümmere Dich gut um Dich selber – ohne schlechtes Gewissen! In Frieden mit sich selbst zu sein bedeutet, gut für sich zu sorgen. Das beginnt damit, dass wir uns unserer Bedürfnisse im Klaren sind, diese äußern und auch dazu stehen können. Dazu gehört aber auch, dass wir uns wichtig genug nehmen, um gut mit unserem Körper umzugehen – z.B. für genug Schlaf und Bewegung und gesunde Ernährung zu sorgen. Aber auch „Seelenpflege“ gehört dazu. Wie sprichst Du mit Dir selbst? Mit welchen Menschen umgibst Du Dich? Und nimmst Du Dir Zeit für Dich und Dinge, die Dich glücklich machen?
  2. Aufmerksamkeit aktiv lenken – auf die „richtigen Dinge“: Wähle bewusst, mit was Du Dich beschäftigen möchtest und was oder wer Deine Aufmerksamkeit erhält. Es ist normal, dass wir immer wieder abgelenkt werden, jemand oder etwas unsere Aufmerksamkeit haben will oder wir uns vielleicht ärgern. Wichtig ist aber, dass wir ein Gefühl dafür entwickeln, wenn das passiert – und dann bewusst gegensteuern können. Dabei können Fragen helfen wie: „Wie geht es mir damit, wenn ich dieser Sache jetzt weiter meine Aufmerksamkeit schenke?“ / „Ist die Aufmerksamkeit hier gut investiert? Kann ich dadurch etwas verändern?“ / „Will ich das?“ / „Ist mir das wichtig?“ — Wenn es sich nicht gut anfühlt und auch nichts dazu beiträgt, dass sich etwas zum Besseren entwickelt, ist es Zeit, die Aufmerksamkeit abzuziehen. Das Lenken der Aufmerksamkeit kann man übrigens mit Achtsamkeitsübungen und Meditation ganz gut trainieren.
  3. Annehmen und hinnehmen – manchmal auch aushalten: Aus manchen Situationen können wir – zumindest im Außen – nicht raus. Und vieles können wir schlicht und ergreifend nicht ändern. Dann geht es darum,  möglichst aufregungs- und dramafrei anzunehmen und hinzunehmen. Und wenn wir Punkt 1 gut umgesetzt haben, haben wir hierfür auch genug Reserven (danach das Auffüllen dennoch nicht vergessen :-))

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Reinhold Niebuhr

Ich wünsche Dir von Herzen, dass es Dir gelingt, Deinen Gleichmut zu stärken, Gelassenheit zu kultivieren und den Mut aufzubringen, in Verbindung zu bleiben.

Sei gut zu Dir!

Deine Birgit

3 Regeln und 5 Tipps für schlechte Tage

Foto: Pixabay

Bei meiner Umfrage unter den Lesern dieses Blogs kam auch die Rückmeldung, dass ein Artikel über das Thema „Was tun bei schlechten Tagen“ ganz gut wäre.
Deshalb habe ich beschlossen, diesen Artikel hier wieder hervorzuholen – warum auch nicht, wenn sich schlechte Tage wiederholen, kann eine Wiederholung des Rezepts dagegen ja nicht schaden!
Viel Spaß beim Lesen!

„Bist Du eigentlich immer gut drauf?“ fragte mich neulich eine Freundin, der es gerade nicht so gut ging. Wer mal mit mir zusammengelebt oder länger Zeit mit mir verbracht hat, im Urlaub z.B., kennt die Antwort auf diese Frage. Allen andere verrate ich sie jetzt hier: NEIN.

Auch ich komme an meine Grenzen und habe manchmal Tage, an denen ich mich schon kurz nach dem Aufstehen damit tröste, dass sie vorüber gehen. Keine Ahnung, wo die schlechte Stimmung an solchen Tagen herkommt – von doofen Gedanken wohl kaum, denn sie ist gefühlt schon da, bevor ich den ersten Gedanken des Tages fasse 😉
Wenn ich mich hier kontinuierlich mit allerlei Tipps zum Thema Balance und Happiness austobe und wenn ich auf meiner „Mission“ unterwegs bin, anderen Menschen dabei zu helfen, mehr Wohlbefinden und Freude zu erlangen, mag der Eindruck aufkommen, dass ich unerschütterlich positiv denke.

Ja, ich möchte Dich darin unterstützen, Deine Gedanken, Gefühle und Deinen Körper in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen um gesund, selbstbestimmt und zufrieden zu leben.
Aber damit keine Missverständnisse aufkommen: dass das nicht immer und ausnahmslos gelingt, ist normal und menschlich!

Leistungsdruck und Perfektionismus sind die falschen Begleiter auf dem Weg zu Zufriedenheit und Wohlbefinden

Vielleicht habe ich einen kleinen Vorteil, weil ich die Themen ja praktisch täglich durch meine Synapsen laufen lasse und sie so immer präsent sind. Und alles, worüber ich schreibe, habe ich sozusagen auch an mir selber ausprobiert. Ich nenne das den „Nachhilfe-Effekt“. Wenn wir etwas, was wir selber lernen, jemand anderem erklären, verfestigt sich das Gelernte noch einmal ganz anders. Und so habe ich die stille Hoffnung, dass mir das alles eines Tages in Fleisch und Blut übergeht…
Bis dahin höre ich mir aber gerne immer, wenn ich selbst mal wieder „feststecke“, meinen Lieblingskommentar guter Freude an, der da lautet:
„Lies doch einfach nochmal ein paar Deiner Blogartikel.“

Aber jetzt mal im Ernst. Schlechte Tage hat jeder. Normal.
Wie wir aber damit umgehen, entscheidet, ob wir gut durch sie durch kommen (und sich manchmal die Stimmung vielleicht schon im Laufe des Tages dreht), oder ob sie in die Verlängerung gehen.

Daher kommen hier meine 3 Regeln und 5 Tipps, um gut durch einen schlechten Tag zu kommen (Wirksamkeit im Selbstversuch nachgewiesen :-)):

3 Regeln für schlechte Tage

  1. Du mußt NICHT immer gut drauf sein.
  2. Es ist in Ordnung, traurig, wütend, enttäuscht, melancholisch, erschöpft etc. zu sein. In unserer vom Perfektionismus oder zumindest der perfekten Außendarstellung getriebenen Welt wird darüber zwar nicht so oft gesprochen – aber auch diese Gefühle gehören zu Dir – und jedem anderen Menschen auf diesem Planeten.
  3. Es geht vorbei. Gefühle und Stimmungen sind wie eine Wetterlage. Sie ziehen vorbei. Und manchmal sind die Wolken gar nicht so dicht oder beständig, wie sie zunächst wirkten.

5 Tipps für schlechte Tage

  1. Sag hallo zu Deiner „Wetterlage“ und begrüße sie beim Namen. Stell Dir dieses (unerwünschte) Gefühl wie einen (ungebetenen) Partygast vor, der vor der Tür steht, und mitfeiern möchte. Und Du weist diesen Gast ab, ohne ihn Dir anzuschauen oder seinen Namen zu kennen. Entweder geht er – aber kommt später nochmal mit Verstärkung wieder oder er randaliert die ganze Zeit vor Deiner Tür und versaut Dir die gesamte Party. Druck erzeugt Gegendruck. Also, öffne die Tür, heiße ihn willkommen und weise ihm einen Platz zu.
  2. Hör Dir an, was Dein Gast zu sagen hat – aber lass Dich nicht ins Drama verwickeln. Ein Bierchen ist ok – dann bedanke Dich bei Deinem Gefühl für das, was es Dir mitteilen wollte (z.B. dass Du auf Dich achten sollst und letzte Woche übertrieben hast, oder um welches Bedürfnis Du Dich mehr kümmern solltest …). Und dann kümmere Dich um die anderen Partygäste und ..
  3. Mache eine Sache, die Dir ein Erfolgserlebnis beschert – stelle etwas fertig, was Du schon lange aufgeschoben hast, absolviere ein Modul in einer Fortbildung, mache eine Sporteinheit, erledige etwas im Haushalt … – und mache Dir danach Deinen Erfolg bewußt. Vielleicht belohnst Du Dich auch mit etwas, z.B.
  4. Mache eine Sache, die Dir Freude macht – ruf mal wieder einen lieben Freund an, kaufe Dir Blumen, bastle oder handwerke, streichle Dein Haustier …
  5. Mache eine Sache, die Deinem Körper gut tut – koche Dir etwas Gesundes und Leckeres, mache einen langen Spaziergang, achte bewußt darauf, ausreichend zu trinken, lege eine Entspannungs- oder Meditationseinheit ein …

Auch wenn eine Sache, die Du machst, in mehrere Kategorien fällt – mache auf jeden Fall drei Dinge, die zu Freude und Wohlbefinden beitragen und Dich Selbstwirksamkeit erfahren lassen.

Sei freundlich zu Deinem „speziellen Partygast“ und dann kümmere Dich um Dich.
Nichts anderes will er Dir meistens sagen.

Sei gut zu Dir!

Deine Birgit